User Experience (UX) und User Interface (UI) Design bilden das Fundament erfolgreicher digitaler Produkte. UX/UI Design-Prinzipien sind nicht nur theoretische Konzepte, sondern das Ergebnis jahrelanger Forschung und Tests, die von Designern, Psychologen, Physikern und Soziologen durchgeführt wurden. Sie helfen uns, das Verhalten oder die Reaktion des Nutzers vorherzusagen und zu verstehen, was am Design geändert werden muss, um bessere Ergebnisse zu erzielen.
Der Unterschied zwischen UX und UI Design
UI Design: Die visuelle Schnittstelle
UI-Design bezieht sich auf die Gestaltung der Benutzeroberfläche eines digitalen Produkts, wie zum Beispiel einer Website, Software oder einer App. Ein UI-Designer ist für die Gestaltung der visuellen Elemente wie Farben und Schriftarten sowie des Verhaltens der Elemente bei verschiedenen Endgeräten (Responsive Design) verantwortlich, um eine ansprechende und vor allem intuitive Benutzeroberfläche zu schaffen.
Kernaufgaben des UI Designs:
- Erstellen von visuellen Designs für Benutzeroberflächen
- Auswahl von Farben, Schriftarten, Symbolen und Layouts
- Entwerfen von Grafiken, Animationen und visuellen Effekten
- Responsive Design für verschiedene Endgeräte
UX Design: Das gesamte Nutzererlebnis
UX-Design hingegen bezieht sich auf das gesamte Nutzererlebnis, das ein Benutzer beim Interagieren mit einem digitalen Produkt hat. Ein UX-Designer konzentriert sich auf die Konzeption und Gestaltung eines nahtlosen und effektiven Nutzererlebnisses bei der Verwendung eines digitalen Produktes.
Der UX Design Prozess umfasst:
- Analyse von Benutzerbedürfnissen
- Erstellen von Wireframes und Prototypen
- Testen der Benutzerfreundlichkeit
- Kontinuierliche Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit
"User experience encompasses all aspects of the end-user's interaction with the company, its services, and its products" - diese Definition der Interaction Design Foundation zeigt die Ganzheitlichkeit des UX-Ansatzes.
Die 12 grundlegenden UX Design-Prinzipien
1. Nutzerzentriertes Design (User-Centered Design)
Das nutzerzentrierte Design gilt als wichtigstes Prinzip im UX-Design. Einer der wichtigsten UX-Leitsätze lautet: "You are NOT the user." Dies gilt sowohl für uns als digitale Experten als auch für Unternehmen. Bevor Sie mit dem Design beginnen, sollten Sie sich die Zeit nehmen, die Bedürfnisse, Wünsche und Probleme Ihrer Zielgruppe zu erforschen und zu verstehen.
2. Einfachheit und Klarheit
Das Design sollte einfach und übersichtlich sein. Gutes Design ist ehrlich - der Nutzer muss nicht nur die Worte Ihres Wertversprechens verstehen, sondern er sollte den tatsächlichen Wert erkennen. Die kognitiven Ressourcen des menschlichen Gehirns pro Tag sind begrenzt. Versuchen wir also, diese nicht unnötig zu strapazieren.
3. Konsistenz
Einige Prinzipien, die jeder UI Designer beachten sollte, sind Einfachheit, Konsistenz und Feedback. Das Design sollte konsistent in der gesamten Anwendung sein. Denken Sie daran, dass Benutzer Designs bevorzugen, die die vertrauten Strukturen und Schnittstellen aller anderen Websites widerspiegeln, die sie bereits nutzen.
4. Priorisierung und Hierarchie
Das Prinzip der Priorisierung begleitet UX- & UI-Designer täglich. Zu priorisieren bedeutet, sich auf das Wesentliche zu fokussieren und die wichtigsten Features eines Produktes hervorzuheben. Es sollte visuell leicht auffindbar und einfach anzuwenden sein.
5. Feedback und Kommunikation
Das Design sollte stets Feedback an die Benutzer liefern. Sorgen Sie für verständliche und gut sichtbare Fehlermeldungen. Am besten bieten Sie Ihren Nutzern gleich einen Lösungsvorschlag oder Hilfe bei der Behebung an.
6. Kontrolle und Flexibilität
Der Nutzer hat, unter Beachtung seiner Berechtigungen im System, die Kontrolle über alle Aktionen. Dem Nutzer soll es ermöglicht werden, eine Aufgabe in minimaler Zeit zu erledigen.
7. Fehlerprävention und -behandlung
Eine Anwendung soll dem Nutzer eine effektive Arbeitsweise ermöglichen, indem eine geeignete Funktionalität zur Erledigung seiner Aufgabe zur Verfügung gestellt wird. Fehler sollten verhindert oder elegant behandelt werden.
8. Wahrnehmbarkeit
Es muss sichergestellt werden, dass alle User den Inhalt wahrnehmen können. Zum Beispiel indem Alternativen für nicht textbasierte Elemente wie Bilder oder Videos angeboten und klare und konsistente visuelle Hinweise verwendet werden.
9. Verständlichkeit
Durch die Verwendung von prägnanten und beschreibenden Inhalten oder informativer Fehlermeldungen können Informationen auf logische und konsistente Weise vermittelt werden.
10. Mobile-First Ansatz
Mit der zunehmenden Nutzung mobiler Geräte ist es wichtig, beim UX-Design einen Mobile-First-Ansatz zu verfolgen. Das bedeutet, dass zuerst für kleinere Bildschirme entworfen und dann für größere Bildschirme skaliert wird.
11. Kulturelle und kontextuelle Berücksichtigung
Beim UX-Design sollten kulturelle und kontextuelle Faktoren berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass das Produkt oder die Website für die Zielgruppe angemessen und relevant ist.
12. Continuous Testing und Iteration
UX-Designer treffen Entscheidungen basierend auf datengestützten Erkenntnissen. Booking.com und Amazon sind Paradebeispiele für regelmäßiges Testing. Täglich werden mehrere hundert A/B-Tests auf den stark frequentierten Seiten durchgeführt.
Die Gestalt-Prinzipien im UX Design
Die Gestalt-Prinzipien spielen eine entscheidende Rolle, um eine ansprechende und benutzerfreundliche Benutzeroberfläche zu gestalten. Diese Prinzipien, die auf der Gestaltpsychologie basieren, bieten eine strukturierte Herangehensweise an das Design.
Prinzip der Nähe
Menschen gehen davon aus, dass Objekte, die nahe beieinander liegen, zusammengehören. Dieses Prinzip gilt auch, wenn sich die Objekte in Farbe, Form, Größe oder anderen Merkmalen unterscheiden. Die Nähe stellt eine Beziehung zwischen nah gelegenen Objekten her.
Prinzip der Ähnlichkeit
Menschen suchen automatisch nach Mustern, also verwenden Sie Gruppierung und Freiraum, um sie zu kreieren. Sie können auch Farbe, Größe, Typ usw. verwenden, um die verschiedenen Arten von Inhalten zu unterscheiden.
Prinzip der Kontinuität
Lenken Sie die Aufmerksamkeit des Nutzers und helfen Sie ihm, das Design zu verstehen, indem Sie Elemente wie Menüs, Links oder Inhalte verwenden.
Barrierefreiheit und inklusive Design
Die Bedeutung digitaler Barrierefreiheit
Barrierefreiheit im User Experience Design bezieht sich auf die Praxis, digitale Benutzeroberflächen und Interaktionen so zu gestalten, dass sie von allen Menschen genutzt werden können, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen. Durch Barrierefreiheit im UX-Design können Menschen mit Behinderungen auf digitale Produkte und Dienstleistungen zugreifen und mit ihnen interagieren – unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Einschränkungen.
Die WCAG-Prinzipien
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.2 beschreiben 4 Prinzipien, die man beachten sollte:
1. Wahrnehmbar: Informationen und sonstige Bestandteile der Benutzeroberfläche müssen so präsentiert werden, dass alle Nutzer diese wahrnehmen können.
2. Bedienbar: Die Bestandteile der Benutzeroberfläche inklusive der Navigation müssen bedienbar sein.
3. Verständlich: Informationen und die Bedienung der Benutzeroberfläche müssen verständlich sein.
4. Robust: Die Inhalte der Benutzeroberfläche müssen robust genug sein, damit sie von der Mehrheit an Nutzern (einschließlich assistiven Technologien) interpretiert werden können.
Praktische Umsetzung der Barrierefreiheit
Kontrast und Farben:
- Verwendung eines ausreichenden Farbkontrasts
- Verzicht darauf, wichtige Informationen ausschließlich durch Farbe zu vermitteln
- User mit Farbenblindheit müssen bei der Gestaltung berücksichtigt werden
Typografie und Lesbarkeit:
- Um User mit Dyslexie zu unterstützen, sollen Texte linksbündig ausgerichtet werden
- Angemessene Schriftgrößen und Zeilenhöhen
- Klare und gut lesbare Schriftarten
Navigation und Interaktion:
- Einige Menschen navigieren durch Websites, indem sie ihre Tastatur anstelle einer Maus verwenden
- Klare Fokus-States der Elemente sind entscheidend
- Barrierefreies Design sollte vorhersehbar sein
Rechtliche Aspekte
Ab Juni 2025 gilt der European Accessibility Act, womit einerseits öffentliche Transportanbieter, Banken und diverse staatliche Einrichtungen zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, allerdings auch private Unternehmen, wenn sie gewisse Voraussetzungen erfüllen. Von Österreichs knapp 9 Millionen Einwohnern leben etwa 1,4 Millionen Menschen mit Behinderungen, was eine jährliche Kaufkraft von rund 720 Milliarden Euro repräsentiert.
Die 10 Usability-Heuristiken nach Nielsen
Jakob Nielsens 10 Usability Heuristiken sind grundlegende Prinzipien, die bis heute im UX Design angewendet werden:
- Sichtbarkeit des Systemstatus
- Übereinstimmung zwischen System und realer Welt
- Benutzerkontrolle und -freiheit
- Konsistenz und Standards
- Fehlervermeidung
- Wiedererkennung statt Erinnerung
- Flexibilität und Effizienz der Nutzung
- Ästhetisches und minimalistisches Design
- Hilfe beim Erkennen, Diagnostizieren und Beheben von Fehlern
- Hilfe und Dokumentation
Die 7 grundlegenden Designprinzipien für UX/UI
1. Emphasis (Betonung)
Was genau ist das Hauptziel Ihres Designs? Was soll dem Nutzer als erstes auffallen? Beim Emphasis-Prinzip geht es darum, den wichtigsten Teil des Designs hervorzuheben.
2. Kontrast
Im Grunde genommen geht es beim Kontrast darum, zwei Elemente gegenüberzustellen, um eines von ihnen hervorzuheben. Dies ist ein wichtiges Prinzip, weil es hilft, die Augen des Nutzers durch das Design zu führen.
3. Wiederholung
Wiederholungen sind wichtig, weil sie Ihre Seite wiedererkennbar machen. Selbst wenn Sie Ihr Design auf Instagram-Werbung oder einen Flyer fokussieren, wird es zu der Seite oder App passen, die Sie bewerben.
4. Alignment (Ausrichtung)
Richtige Ausrichtung schafft Ordnung und verbessert die Lesbarkeit und Benutzerfreundlichkeit.
5. Hierarchie
Visuelle Hierarchie hilft Nutzern, wichtige Informationen schnell zu identifizieren und zu verstehen.
6. Balance
Ausgewogene Designs wirken harmonisch und professionell.
7. Proximity (Nähe)
Verwandte Elemente sollten nah beieinander platziert werden, um ihre Zusammengehörigkeit zu verdeutlichen.
Praktische Umsetzung und Tools
Design-Workflow
- Research Phase: Nutzerbedürfnisse verstehen
- Information Architecture: Struktur planen
- Wireframing: Grundlegende Layouts erstellen
- Prototyping: Interaktive Modelle entwickeln
- Testing: Usability-Tests durchführen
- Iteration: Basierend auf Feedback verbessern
Wichtige Tools
Für Research:
- User Interviews
- Surveys und Fragebögen
- Analytics Tools
- A/B Testing Plattformen
Für Design:
- Figma, Sketch, Adobe XD für UI Design
- Miro, Mural für Brainstorming
- InVision, Principle für Prototyping
Für Testing:
- UsabilityHub für erste Tests
- Maze für Usability Testing
- Hotjar für Behavior Analytics
Barrierefreiheit-Tools
- AXE Chrome extension für Accessibility-Bewertung
- Lighthouse (in Chrome Developer Tools) für Performance und Accessibility
- Color Oracle für Farbenblindheit-Simulation
- WAVE für Web Accessibility Evaluation
Spezialisierungen im UX/UI Design
UX Researcher
UX-Researcher legen die Grundlage für die Entwicklung eines neuen Produktes. Sie führen im Vorfeld Studien durch, um herauszufinden, ob die Produktidee überhaupt ein relevantes User-Problem löst.
UI Designer
UI Designer konzentrieren sich auf die visuelle Gestaltung und Interaktionsdesign der Benutzeroberfläche.
UX Designer
UX Designer arbeiten an der gesamten User Journey und dem Nutzererlebnis.
Interaction Designer
Spezialisiert auf die Gestaltung von Interaktionen zwischen Nutzer und Produkt.
Service Designer
Betrachtet das gesamte Service-Ökosystem und die Customer Journey.
Die vier Merkmale guten UX Designs
1. Useful (Nützlich)
Ein Produkt muss einem konkreten Zweck dienen und gezielt ein Problem der Nutzer lösen. Es ist wichtig zu verstehen, dass Useful und Usable unterschiedliche Bedeutungen haben.
2. Usable (Benutzbar)
Das Produkt muss einfach und intuitiv zu bedienen sein. Gute Usability ist ein Hygienefaktor und die Grundlage für eine gute Benutzererfahrung.
3. Findable (Auffindbar)
Nutzer müssen das Produkt und seine Funktionen leicht finden können.
4. Enjoyable (Erfreulich)
Um ein großartiges UX Design zu schaffen, muss das Produkt Spaß machen. "Enjoyable" bedeutet, dass die Nutzer eine positive Assoziation zu dem Produkt aufbauen.
Zukunftstrends in UX/UI Design
KI-unterstütztes Design
Künstliche Intelligenz wird zunehmend in den Design-Prozess integriert, von automatisierten Layouts bis hin zu personalisierten Nutzererfahrungen.
Voice User Interfaces
Mit der Verbreitung von Sprachassistenten werden Voice UIs immer wichtiger.
Augmented und Virtual Reality
AR/VR eröffnen neue Dimensionen für User Experience Design.
Micro-Interactions
Kleine, feine Interaktionen, die das Nutzererlebnis verbessern und Feedback geben.
Best Practices für den Alltag
1. Kontinuierliches Lernen
Bleiben Sie auf dem Laufenden über neue Trends, Tools und Methoden. Die Interaction Design Foundation oder das a11y Project bieten wertvolle Ressourcen.
2. Nutzer-Feedback einholen
Regelmäßige Usability-Tests und Nutzer-Feedback sind essentiell für erfolgreiche Designs.
3. Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Die Verbesserung der Barrierefreiheit ist nicht nur eine Aufgabe für Designer oder Entwickler. Jeder im Team hat eine Rolle zu spielen.
4. Dokumentation
Halten Sie Design-Entscheidungen und deren Begründungen fest, um nachvollziehbare Design-Systeme zu schaffen.
5. Empathie entwickeln
Empathie ist eine wichtige Fähigkeit für UX-Designer, vor allem wenn es um Barrierefreiheit und Benutzerfreundlichkeit geht.
Fazit: UX/UI Design-Prinzipien als Fundament
UX/UI Design-Prinzipien sind weit mehr als theoretische Konzepte – sie sind praktische Werkzeuge, die auf jahrzehntelanger Forschung und Erfahrung basieren. Die erfolgreiche Anwendung dieser Prinzipien erfordert ein tiefes Verständnis der Nutzerbedürfnisse, kontinuierliches Testing und die Bereitschaft zur ständigen Verbesserung.
Die Zukunft des UX/UI Designs liegt in der intelligenten Verbindung dieser bewährten Prinzipien mit neuen Technologien und Erkenntnissen. Dabei bleibt der Nutzer immer im Mittelpunkt – denn das ultimative Ziel ist es, digitale Erlebnisse zu schaffen, die nicht nur funktional sind, sondern auch Freude bereiten und allen Menschen zugänglich sind.
Ob Sie Anfänger oder erfahrener Designer sind: Die konsequente Anwendung dieser UX/UI Design-Prinzipien wird Ihre Arbeit auf ein neues Level heben und dabei helfen, Produkte zu schaffen, die Nutzer nicht nur verwenden, sondern lieben werden.